04.06.2013

Mit LEDs den historischen Charme einer Stadt beleuchten

Fachbereich Ingenieurwissenschaften und Mathematik unterstützt über zwei Jahre die Umsetzung eines neuen Lichtkonzepts für die Stadt Rietberg.

Bielefeld (fhb). Die Stadt Rietberg erstrahlt in neuem Licht. Bei einem großangelegten Forschungsprojekt des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) hat die Fachhochschule Bielefeld ein neues Lichtkonzept für die historische Altstadt an der Ems umgesetzt. Im Verbund mit der Stadt und anderen Projektpartnern wurde untersucht, ob Straßen, Plätze und Fassaden mit den vorhandenen, teilweise veralteten Laternen ausreichend beleuchtet werden. Aus diesen Ergebnissen hat das Forschungsteam um Professorin Dr.-Ing. Eva Schwenzfeier-Hellkamp, Fachbereich Ingenieurwissenschaften und Mathematik (IuM), in enger Zusammenarbeit mit den Projektpartnern eine völlig neue Lösung für Rietberg erarbeitet. Als Voraussetzung galt: Das neue Konzept sollte ausschließlich auf LED-Technologie basieren. Entstanden ist ein einmaliges Lichtkonzept, das den besonderen Charakter der nächtlichen Fachwerkstadt positiv hervorhebt.

Um die zukunftsweisende und energiesparende LED-Technologie dauerhaft in deutschen Städten zu etablieren, hat das BMBF 2009 den Wettbewerb "Kommunen in neuem Licht" ausgeschrieben. Zehn Kommunen wurden jeweils mit bis zu zwei Millionen Euro gefördert, die besonders ausdrucksstarke Lichtideen für den öffentlichen Raum eingereicht hatten. Darunter auch die Stadt Rietberg, die die Förderung zusammen mit der FH Bielefeld und der Hochschule OWL für sich beanspruchen konnte. Über zwei Jahren sollte eine neue und verbesserte Stadtbeleuchtung erarbeitet und umgesetzt werden. Die LED-Leuchten lieferte der Hersteller Philips, das Konzept stellte das Städteplanungsbüro Meyer-Brandis aus Aachen auf. "Mit Hilfe der Messungen, Befragungen verschiedener Zielgruppen und Simulationen der FH ist die Beleuchtung auf einen modernen und normgerechten Stand gebracht worden", sagt Schwenzfeier-Hellkamp.

16 Studierende sowie wissenschaftliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben in vielen Nacht- und Außeneinsätzen die Beleuchtungsstärke der vorhandenen Straßenbeleuchtung gemessen. "Dafür musste es trocken und dunkel sein, um keine verfälschten Daten zu bekommen", erklärt Daniel Werner, wissenschaftlicher Mitarbeiter von Professorin Schwenzfeier-Hellkamp. Das Areal des LED-Lichtkonzeptes umfasst den kompletten historischen Stadtkern, der durch die Ems und die Wasserführung, der so genannten Umflut, abgegrenzt wird. Dieser grüne Ring ist zugleich die natürliche Grenze des historischen Rietbergs. Im ersten Teilprojekt wurden die verschiedenen Beleuchtungssituationen in der Altstadt mit 28 repräsentativen Messfeldern  abgebildet: in der Rathausstraße im Zentrum, in den Nebenstraßen sowie am grünen Wallring an der Ems und an der Umflut.

Mit diesen Daten haben Julia Lemke und Melanie Mettlen, beide studentische Hilfskräfte am Fachbereich IuM, lichttechnische Simulationen durchgeführt. "Bei dem Programm haben wir ein 3D-Plan der Straßen erstellt und konnten so die besten Einstellungen für die Leuchten simulieren", erklärt Julia Lemke. Umgesetzt wurden 220 Lichtpunkte.
Obwohl die Standorte der Lampen vorgegeben waren, hat das Forscherteam an mehreren Stellen neue Standplätze und Ausrichtungen für die Leuchten vorgeschlagen, von denen drei umgesetzt wurden.  Das war keine Selbstverständlichkeit, denn trotz der modernen LED-Technik, galt es auf den Altstadtcharakter besondere Rücksicht zu nehmen. "Die Stadt Rietberg hat sehr viel Wert aufs Detail gelegt. Die Straßenbeleuchtung sollte zum Altstadtcharakter passen und dabei nicht zu innovativ wirken.", sagt Werner.

"Eigentlich hätten einige Bäume am Wallring zurückgeschnitten werden müssen, um das Lichtergebnis zu verbessern, das ist aber nicht überall passiert", berichtet Melanie Mettlen. Jede Leuchte kann einzeln angesteuert und eingestellt werden. Das trägt zum einheitlichen Erscheinungsbild bei und spart Strom, weil nicht jede Leuchte auf 100 Prozent laufen muss. Während in den Straßen weiße LEDs verwendet werden, hat sich die Stadt für den Wallring Leuchten mit einem grün beleuchteten Dekoelement  gewünscht. Auch einige  der LEDs  für die Fassaden können in verschiedenen Farben eingestellt werden.
Allerdings hat die FH  bei diesem zweiten Teilprojekt der Fassadenbeleuchtung nur am Rande mitgespielt. "Hier ging es eher darum dekorative Akzente der historischen Bauten hervorzuheben", erzählt Professorin Schwenzfeier-Hellkamp. Insgesamt 49 Gebäude, Bäume und Brücken erstrahlen jetzt in neuem Licht.

Beim dritten Teilprojekt hat die Arbeit des Forscherteams aber eine sehr wichtige Rolle gespielt. Masterstudentin und wissenschaftliche Mitarbeiterin Kristin Gabel hat sowohl ihre Bachelorarbeit über die Messung der Beleuchtungsstärke in der Stadt geschrieben als sich auch mit einem "Lichtleitstein" für Sehbehinderte beschäftigt. Die Hochschule OWL in Detmold hat diesen Stein konzipiert. Mit Rillen, der so genannten taktilen Oberfläche, und einem integrierten LED-Element dient er als Orientierungshilfe für Sehbehinderte und ältere Menschen bei Dämmerung und in der Nacht. Kristin Gabel hat mit Messungen den optischen Kontrast des LED-Leitsteins untersucht. Auf Anregungen von sehbehinderten Probanden wurde während der Entwicklungsphase die Farbe der LEDs von Weiß auf Amber umgestellt. "Wir hätten eigentlich nicht gedacht, dass es ausgerechnet Amber wird.  Von den weißen LEDs fühlten sich die Probanden aber zu sehr geblendet", sagt Gabel. In der Altstadt von Rietberg sind jetzt gut 350 dieser Lichtleitsteine verlegt.

Mittlerweile sind alle Leuchten und Steine installiert, das Projekt ist Ende Mai ausgelaufen. Aber Befragungen der Rietberger lassen jetzt schon gute Kritiken zum neuen Lichtkonzept in der Altstadt vernehmen. "Der Grundton ist sehr positiv. Viele loben, dass jetzt alles einheitlich und gleichmäßiger ist. Natürlich ist die farbige Illumination Geschmackssache genau wie die LED-Leitlinie.", erklärt Kristin Gabel.

Der Erfolg am Fachbereich IuM freut Schwenzfeier-Hellkamp: "Die Informationen zum Forschungsprojekt haben sich wie ein Lauffeuer am Fachbereich verbreitet. Mich freuen vor allem die vielen wissenschaftlichen Arbeiten die durch das Forschungsprojekt zustande gekommen sind." Während der Laufzeit sind eine Diplom-, eine Bachelorarbeit sowie neun Studienarbeiten über kleinere Projekte zum Lichtkonzept geschrieben worden. "Dieses Forschungsprojekt hat uns außerdem einen wichtigen Impuls für die Lehre und unser wissenschaftliches Personal beschert", sagt die Professorin. Durch die erfolgreiche  Re-Akkreditierung ist im Studiengang Regenerative Energien das neue Modul "Effiziente Lichttechnik" eingeführt worden und im Masterstudiengang Elektrotechnik hat das  Forschungsprojekt zur inhaltlichen Gestaltung des Moduls "Intelligente Energiesysteme" beigetragen.

Das Projekt hat mehrere Stellen für studentische Hilfskräfte und wissenschaftliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter möglich gemacht, die auch in Zukunft dem Fachbereich in weiteren Projekten zur LED-Technologie erhalten bleiben werden.